Internationale Wochen gegen Rassismus (IWgR) 2022
im Kreis Höxter, vom 14. - 27. März 2022
Das Kommunale Integrationszentrum des Kreises Höxter möchte gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, Schulen, Vereinen und anderen Organisationen auf die gelebte Vielfalt, das gesellschaftliche Engagement sowie den Zusammenhalt im Kreis Höxter aufmerksam machen.
Als Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung sollen während der "Internationalen Wochen gegen Rassismus" vom 14. bis 27. März 2022 kreisweit Veranstaltungen, Mitmach-Angebote, Projekte, Austauschmöglichkeiten und Informationsveranstaltungen verschiedener Akteure angeboten werden.
Die ZUE Borgentreich beteiligt sich mit 2 Aktionen, die erste "Ein Band der Solidarität" sehen Sie im Video. Bei der zweiten Aktion berichten Kolleg:innen der Malteser Betreuung Borgentreich über alltägliche Situationen, in denen sie im Alltag rassistischen Bemerkungen oder rassistischen Vorurteilen ausgesetzt waren. Indem Betroffene selbst zu Wort kommen, werden die Zuhörerer:innen dazu angeregt, die Perspektive der Anderen einzunehmen. Die Idee hinter der Aktion ist, dass am Anfang des Wegs zu einer gleichberechtigteren, offeneren, lebenswerteren Gesellschaft für jede:n von uns Zuhören, Verstehen und Empathie stehen.
Ein Band der Solidarität - 26. März 2022
450 Menschen auf rund 1,5 km Strecke!
Bewohner:innen aus der ZUE, Privatpersonen, Vereine, Feuerwachen, Schulen, Seniorenheime und Kirchenvertreter haben am 26. März das Band der Solidarität gebildet.
„Ich bin ja Zigeuner!“
Unser Kollege B. ist in Serbien geboren und lebt seit über 30 Jahren in Deutschland. In der ZUE arbeitet er seit 2015. Seine fünf Kinder, die mittlerweile auch selber Kinder haben, sind hier aufgewachsen. Seit zwei Jahren hat er die deutsche Staatsangehörigkeit.
B. beschreibt im Interview, dass er als Roma in Serbien sehr starken Anfeindungen ausgesetzt war. Unter anderem wurde er immer wieder darauf hingewiesen, dass er eigentlich kein "richtiger Serbe" sei. In Deutschland seien diese Anfeindungen seltener – aber auch vorhanden. Was ihn besonders verletzt… Wenn B. auf dem Nachhauseweg im Auto die Nachrichten hört, bemerkt er, dass in Berichten über Geschehnisse nicht nur der Name oder das Geschlecht eines Menschen genannt werden, sondern häufig der Zusatz "…mit Migrationshintergrund" benutzt wird. "Warum?", fragt er. "Sind wir nicht alle Menschen?"
Was er sich wünscht, dass allen Menschen klar wird, dass wir "... auf einer Kugel leben, alle auf derselben Welt!" Das Wichtigste wäre für ihn, dass wir nicht mehr "mit oder ohne Migrationshintergrund" gesehen werden, sondern einfach als Menschen. Das wünscht er sich für sich und seine Kinder.
(Hier hören Sie das Gespräch mit B.)
"Wir kochen, wir haben Internet und wir haben Universitäten!"
(Hier hören Sie das Gespräch mit A.)
Unser Kollege A. kommt aus dem Irak und ist seit 2017 in Deutschland - ohne seine Familie - und noch neu bei den Maltesern. Im Irak hat er als Englischlehrer an einem Gymnasium gearbeitet.
Er hat schon ziemlich früh festgestellt, dass freundliche Gesten, wie sie in seiner (und auch in unserer) Kultur z. B. Älteren gegenüber üblich sind, anders bewertet werden, wenn sie von einem „Ausländer“ kommen. Das hat ihn sehr verletzt. Sein Verhalten ist dadurch distanzierter und vorsichtiger geworden.
A. hat im Irak einen Master in Pädagogik und Englisch gemacht - und hier musste er wieder von Null starten, was er als Abwertung gegenüber seinen bisherigen Leistungen versteht. "Ich spreche besser Englisch als die meisten Deutschen – aber meine Abschlüsse werden nicht anerkannt!"
A. kommt aus einem Land mit einer 4000-jähriger Kultur und es wundert und erschüttert ihn, dass die Deutschen so wenig über dieses Land wissen. Sie denken oft nur an den Terrorismus und dass die Menschen im Irak angeblich nicht mal Internet haben. "Meine Freundin hat mich am Anfang gefragt: A. - kocht Ihr auch bei Euch? Und ich habe geantwortet: Nein, wir jagen!" sagt er lachend.
"Es gibt eine Million Iraker:innen in Deutschland und alle sind unterschiedlich und die meisten friedlich - so wie auch nur wenige der 80 Millionen Deutschen ausländerfeindlich sind."
A. wünscht sich von den Deutschen, dass sie akzeptieren, dass auch Iraker gebildet sein können und dass sie "... uns Neuen eine Chance geben. Wir brauchen auch Sozialkontakte!"
„Ich will mich nicht zum Opfer machen!“
Nicht alle Kolleg:innen, die wir gefragt haben, ob sie sich interviewen lassen wollten, waren dazu bereit.
Besonders nachdenklich machte uns die Antwort unseres Kollegen N., der nicht mitmachen will, weil er sich "... nicht zum Opfer machen" will. Seiner Meinung nach gibt man gerade den Tätern, also denjenigen, die sich absichtlich oder unabsichtlich rassistisch verhalten, zu viel Raum, wenn immer wieder über diese Akte der Unfreundlichkeit berichtet wird.
Und die Betroffenen sind nach seiner Auffassung dadurch automatisch in der Opferrolle - die er für sich nicht akzeptieren will.
Auch wenn wir der Überzeugung sind, dass "(...) subjektive Diskriminierungserfahrung ein wichtiger Indikator für gesellschaftliche Schieflagen und Missstände (ist). (Und) Gesellschaft (...) in vielerlei Hinsicht geprägt (wird) durch die Wahrnehmung ihrer Mitglieder." und dass daraus folgt: "Wenn Menschen sich diskriminiert fühlen, hat dies Folgen. Wahrgenommene Benachteiligung kann Resignation verstärken und motivationsmindernd wirken."* so sind wir uns aber auch - oder gerade deswegen - bewusst, dass es Menschen gibt, die sich von diesem "Fremdblick" befreien wollen. Und die es gerade motiviert, ihr Leben „normal“ und nach eigenen, selbstbestimmten Maßstäben zu leben.
Nicht alle, die rassistische Diskriminierung erfahren, wollen diese als stigmatisierend akzeptieren - auch das ist eine Art der Bewältigung der vielen kleinen alltäglichen Nadelstiche, die Menschen anderer Hautfarbe und Herkunft jeden Tag erleben. Deshalb kann man die Aussage unseres Kollegen vielleicht auch so formulieren:
*aus: Baumann, Anne-Luise; Egenberger, Vera; Supik, Linda (2018): Erhebung von Antidiskriminierungsdaten in repräsentativen Wiederholungsbefragungen. Bestandsaufnahme und Entwicklungsmöglichkeiten. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes
„Es ist wichtig, sich Verbündete zu suchen – weil, alleine kannst du gar nix machen!“
Unser Kollege K. kommt aus Algerien, lebt seit 30 Jahren in Deutschland und hat einen deutschen Pass. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Kinder sind sehr gut erzogen und grüßen alle Menschen freundlich. Aber K.'s Nachbarin grüßte einfach nicht zurück. Das hat ihn sehr verletzt und deshalb sprach er sie darauf an.
„Weißt du, die Kinder sind unsere Zukunft, was soll ich ihnen sagen, in welcher Welt sie leben? Wenn es nur um mich ginge – kein Problem – aber das sind KINDER“
Die Nachbarin rief daraufhin die Polizei an und fragte, wirklich und wahrhaftig nach, ob „… man in Deutschland zurück grüßen muss, wenn man gegrüßt wird!“. Die Polizei war Gott sei Dank auf K.'s Seite und bestärkte ihn, dass das, was er und seine Kinder tun, richtig ist. Auch andere Nachbarn stellten die Frau zur Rede und stärkten K.'s Familie mit Worten und Gesten den Rücken.
„Guck mal,“ sagt K. „ich würde nie sagen alle Deutschen sind so. Wir haben auch sehr nette Nachbarn! Ich kann nur jedem raten, sich deutsche Verbündete zu suchen in solchen Situationen. Das hilft!“
Sein Wunsch für die Zukunft:
(Hier hören Sie das Gespräch mit K.)
"Natürlich ist meine Arbeit systemrelevant! Aber Hallo!"
(Hier hören Sie das Gespräch mit M.)
Unser Kollege M. ist Teamleiter in der Malteser Betreuung Borgentreich und schon seit der Ankunft der Geflüchteten in 2015 ein fester, engagierter Bestandteil des Teams.
Er hat während der Corona-Pandemie auf einem Volksfest eine Situation erlebt, in der - wie er sagt - er feststellte: „…wenn Not am Mann ist, wurden und werden Menschen in Klassen eingeteilt. Systemrelevant oder nicht!“ Und offenbar ist die Arbeit in einer Flüchtlingsunterkunft für viele Menschen nicht nur nicht systemrelevant, sondern wird „schief“ angeschaut, sogar von Menschen mit Migrationshintergrund.
„Ich hatte das Gefühl, die denken: der arbeitet im Flüchtlingsheim, mit dem wollen wir nichts zu tun haben!“ Was denkt er darüber? „Natürlich sind wir systemrelevant. Aber Hallo! Und vor allem für die Menschen, die wir hier betreuen, sind wir systemrelevant!“
Seine Erkenntnis? Er betont, wie wichtig es ist, dass er und die Kolleg:innen ein „sehr gut aufgestelltes Team“ sind. Und an Menschen, die von Rassismus betroffen sind, möchte er weiter geben:
„Wieso ist es jetzt so anders, als in 2015?“
Einer unserer Kollegen möchte nicht aufgenommen werden, aber er hat viel auf dem Herzen. Er stammt aus Tunesien, hat die deutsche Staatsbürgerschaft und ist mit einer deutschen Frau verheiratet. Er spielt im Verein Fußball und arbeitet bei uns in der Betreuung.
Er hat manchmal Angst, dass sein arabischer Nachname irgendwann einmal seiner jetzt 9 Monate alten Tochter schaden könne. Und wie so viele – vor allem Geflüchtete – beobachten aktuell sehr genau, wie Deutschland und die Deutschen mit den ukrainischen – weißen – Geflüchteten umgehen und wie es 2015 war. Wie über arabische, afghanische und afrikanische Geflüchtete gesprochen und gedacht wurde in der Öffentlichkeit und hinter vorgehaltener Hand.
Im Gegensatz zu den anderen befragten Kolleg:innen ist er eher, auf eine resignierte Art, wütend und verletzt.
„Hatte ich selber mit Rassismus zu tun? Ja!“
Ich lebe seit 2007 in Deutschland mit meinen Kindern. Die sind hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Mittlerweile kann ich sogar behaupten, dass meine Kinder mehr Deutsch als ägyptisch sind.
In den ersten Jahren in Deutschland war es besonders schlimm mit Rassismus. Vor allem weil wir die Sprache noch nicht beherrschten. Wenn ich irgendwas nicht verstand und noch mal fragen musste wurde ich immer genervt angeguckt so nach dem Motto ,,Lern doch Deutsch du Ausländer und dann komm und rede mit mir‘‘.
Ich legte großen Wert darauf, dass ich und meine Kinder schnell die Sprache lernten und meine Kinder einen guten Abschluss erlangen. Erst dann fingen die Menschen hier an uns zu akzeptieren. Wir haben immer versucht ihnen das Gegenteil zu beweisen von der Vorstellung, dass wir nur in Deutschland sind um auf Staatskosten zu leben.
Ich arbeite seit 2014 bei den Maltesern. Meine Töchter fingen beide mit 18 an zu arbeiten, um sich selbst zu finanzieren. Eine studiert, die andere macht eine Ausbildung. Klar, es kommen immer wieder unnötige Kommentare wie: "du sprichst aber gut Deutsch, so akzentfrei", oder die Menschen sind schockiert, dass man uns nicht ansieht, dass wir Ausländer sind. Besonders amüsant ist dann auch das Ratespiel danach wo wir herkommen könnten...
Rassismus wird uns immer im Leben begleiten, dass ist der Preis, den wir bezahlen müssen um in Deutschland zu leben.
Ich habe/hatte eine Kollegin auf der Arbeit die hat mich einfach von Anfang an gehasst, nur, weil ich nicht Deutsch bin und mein deutsch nicht perfekt ist. Sie hat mich schlecht behandelt und mich rumkommandiert, weil sie dachte ich könnte mich nicht wehren und nur weil es ,,ihr Land‘‘ ist hätte sie immer das Sagen. Ich habe mir das ein paar Mal gefallen lassen und dann habe ich mich gewehrt und bin sogar laut geworden. Ich meine, Respekt muss man sich verdienen! Ich habe viel getan dafür respektiert zu werden...